Mit Migration leben und lernen

Einblicke in die Südtiroler Schulen in der Perspektive von Diversität und Pluralität

von Hans Karl Peterlini

Für integrative und inklusive Prozesse ist Schule ein ebenso wichtiger als auch neuralgischer sozialer Ort. Die Schule ist – zumindest im Pflichtschulbereich und bei gesichertem aufenthaltsrechtlichen Status –  jene Institution, die Kinder und Jugendliche unabhängig von Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Bildungs- und Sozialstandard, sprachlicher Kompetenz aufnimmt. Dadurch übt Schule eine bedeutende inklusive Rolle in migrantisch geprägten Gesellschaften aus, zugleich wirken auf Schule strukturelle gesellschaftliche Teilungen ein, die dort teilweise reproduziert, teilweise auch verstärkt werden. Ebenso ist Schule ständiger Gegenstand von Alltags-, Politik- und Mediendiskursen, die auf Schule zurückwirken und inklusive Entwicklungen teilweise beeinträchtigen, teilweise aber auch unterstützen können.

In einem Mehrheits-Minderheitengebiet wie Südtirol ist Schule zugleich von der Besonderheit des – bis auf die ladinischen Gemeinden – nach Sprachgruppen getrennten Schulsystems gekennzeichnet. Die Frage, wie sich migrantische Familien darauf einstellen und in welcher Sprache sie ihre Kinder einschulen, ist einerseits sprachdidaktisch und pädagogisch relevant, andererseits ebenso wiederum von den Diskursen um den Minderheiten- und Sprachenschutz betroffen. Die Frage beispielsweise, ob Schulen aufgrund hoher Migrationsdichte noch in der Lage sind, „richtiges Deutsch“ zu vermitteln, ist zwar – aufgrund des monolingualen Habitus mehr oder weniger aller europäischen Nationalgemeinschaften – kennzeichnend für die Migrationsgesellschaft, in einem Mehrheits-Minderheitengebiet mit einer hohen emotionalen Bedeutung der „Muttersprache“ noch einmal akzentuiert.

Ansätze dieses Projektteils:

  • Wahrnehmung und Reflexion konkreter Situationen und Interaktionen im gelebten Schulalltag in exemplarisch ausgewählten Schulen
  • Dichte Beschreibungen dieser Situationen mittels phänomenologisch orientierter „Vignetten“ (Schratz 2012, Agostini 2016, Baur/Peterlini 2016, Peterlini 2016), um davon Überlegungen für Schulpraxis und Anforderungen an eine inklusive Schule abzuleiten; dabei wird allerdings Schule nicht isoliert wahrgenommen, sondern auf Gegebenheiten im sozialen Umfeld hin reflektiert.
  • Exemplarische Interviews mit Lehrkräften, Schulführungskräften, Schülerinnen und Schülern