Die Südtiroler Landesregierung verfolgte während der 1990er-Jahre Flüchtlingen gegenüber eine abwartende und defensive politische Linie. Als beispielsweise im März 1991 infolge der Unruhen am Balkan mehr als 25.000 Menschen mit albanischer Staatsbürgerschaft nach Italien geflüchtet waren und 361 dieser Geflüchteten aufgrund staatlicher Überweisung in Südtirol Unterkunft fanden, stießen die Vorschläge zur Integration der Schutzsuchenden seitens des SVP-Abgeordneten Franz Pahl bei der Landesregierung auf wenig Interesse. Pahl bezeichnete in seiner Grundsätzlichen Denkschrift zur Flüchtlingsfrage den 14. März 1991, nämlich jener Tag, an dem die ersten albanischen Flüchtlinge in Südtirol angekommen waren, als „sozialgeschichtlichen Stichtag für Südtirol“. Neben der Forderung eines neuen Humandenkens erklärte der Abgeordnete außerdem:
„Noch so viel Entwicklungshilfe bewahrt uns nicht vor den Menschenströmen, insbesondere dann nicht, wenn die Politik der freien Länder nicht fähig scheint, politische Unterdrückung zu verhindern oder wenigstens zu lindern.“
Die Aufnahme der Flüchtlinge erfordere, so der Politiker, ein Umdenken bei der Landesführung und ein Überwinden der historisch begründeten Ängste, da es sich diesmal nicht um eine „italienische Einwanderung, sondern um eine humane Hilfsaktion“ handle. Ähnlich wie die Aufforderungen Pahls blieben auch die von der Grünen-Fraktion verfolgten Bemühungen um eine friedliche Integration der nach Südtirol Geflüchteten weitgehend unberücksichtigt.
So ist im Parteiprogramm der bis heute den Landtag dominierenden Südtiroler Volkspartei aus dem Jahr 1993 im Hinblick auf den Umgang mit Flüchtlingen zu lesen:
„Die Südtiroler Volkspartei hat Verständnis für politische Flüchtlinge und tritt dafür ein, dass auch Südtirol im Rahmen seiner Möglichkeiten diesen Menschen im eigenen Land konkrete Hilfe bietet. […] Sie ist überzeugt und wird sich dafür einsetzen, dass den Menschen vor Ort geholfen wird. Nur eine solche Hilfe kann effektiv und von dauerhafter Wirkung sein.“
(Südtiroler Volkspartei (Hrsg.), Das neue Programm der Südtiroler Volkspartei, Meran 1993.)
Damit wurde zwar die grundsätzliche Bereitschaft, in Krisensituation zu helfen, zum Ausdruck gebracht, jedoch sollte sich die Hilfe weniger in der Aufnahme von Flüchtlingen in Südtirol, sondern viel mehr als finanzielle Unterstützung in den Krisengebieten äußern. Auch die Ankunft weiterer Flüchtlinge, diesmal aus dem ehemaligen Jugoslawien (Kroatien, Bosnien-Herzegowina sowie dem Kosovo) zwischen 1991 und 1999 änderte diese Position der SVP nicht.
Zwar zeigte sich die Südtiroler Landesregierung bei der Hilfe durch Spenden, beispielsweise für Kroatien und Bosnien-Herzegowina, überaus großzügig und verpflichtete sich im Jahr 1995 dazu, Spenden der Bevölkerung an die Caritas für das Flüchtlingslager in Lukavac (Bosnien-Herzegowina) zu verdoppeln (Spendenaktion-Caritas). Maßnahmen im eigenen Land zugunsten von Schutzsuchenden waren jedoch nicht Teil der hiesigen Flüchtlingspolitik.
Die Errichtung eines Flüchtlingsheims wurde bis 1999 ebenfalls nicht umgesetzt, obwohl Abgeordnete der inzwischen neu gegründeten Freiheitlichen Partei, aber auch der Grünen-Fraktion verstärkt die Ernennung eines Flüchtlingsbeauftragten sowie die Errichtung eines Heims verlangten. Die Forderungen blieben auch in den Folgejahren aufrecht, hinzu kam der Vorwurf der Untätigkeit. Diesem hielt der damalige Landeshauptmann Dr. Luis Durnwalder im Rahmen des Landtagswahlkampfs von 1998 entgegen:
„Wir haben in den letzten fünf Jahren vier Flüchtlingszentren in verschiedenen Bezirken Südtirols geschaffen. Über einen Katastrophenfonds haben wir Sofort- und Aufbauhilfen in Katastrophengebieten in aller Welt zur Verfügung gestellt. […] Es ist unser vorrangiges Ziel, im Heimatland zu helfen, damit die Menschen dort Arbeit finden und bei ihren Familien bleiben können.“
Die defensive Linie der Landespolitik war besonders für jene Menschen dramatisch, die unabhängig von der staatlichen Überweisung nach Südtirol gelangt waren und deshalb nicht in den staatlichen Einrichtungen untergebracht wurden. Zu dieser Gruppe gehörten auch die Roma-Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien, insbesondere aus Mazedonien, von denen sich rund 300 nach Südtirol durchschlugen. Sie verfügten über eine außerordentliche Aufenthaltsgenehmigung „aus humanitären Gründen“, lebten in der Provinz jedoch in einem illegalen Lager am Ex-Vives-Gelände in Bozen-Süd unter äußerst prekären und hygienisch untragbaren Zuständen. Die Unterbringung dieser Flüchtlinge erwies sich als überaus problematisch, da sich ein Großteil der Anrainerbevölkerung gegen die Pläne der Landesregierung (Unterbringung-Minderheiten) wehrte.