Zur ersten landesgesetzlichen Verankerung politischer Maßnahmen zur Integration von Menschen anderer Nationen kam es im Jahr 2011. Das Landesgesetz „Integration ausländischer Bürger und Bürgerinnen“ vom 28. Oktober 2011 schuf nun Gestaltungsmöglichkeiten, die über die staatlichen Bestimmungen hinausgingen und folgende Bereiche betrafen: Sozialer Spracherwerb, Fürsorge, Gesundheit, Wohnbauförderung sowie Aus- und Weiterbildung. Darüber hinaus sah das Gesetz die Schaffung eines mehrjährigen Programms zur Einwanderung, die Gründung einer Antidiskriminierungsstelle sowie die Einstellung eines Landeseinwanderungsbeirates vor.
Zu Recht kritisierten Abgeordnete der Grünen-Fraktion jedoch, dass der Gesetzestext keinerlei spezifische Verpflichtungen gegenüber „Flüchtlingen, Staatenlosen, Asylwerbenden und Personen, die unter internationalem Schutz stehen“, enthielt. Zudem äußerten selbige den Vorwurf, dass die Zahl der Aufzunehmenden von politischer Seite so gering wie möglich gehalten werde. Sie zielten damit auf Äußerungen des damaligen Landeshauptmannes Durnwalder ab, der in der Tageszeitung Dolomiten folgendermaßen zitiert wurde: „Südtirol verfügt über wenige geeignete Strukturen […]. Das Land kann höchstens 50 Personen unterbringen“. Kurze Zeit später sank die von ihm genannte Zahl weiter auf 20 bis 30 Personen, obwohl laut Landesssozialplan 2007 bis 2009 mehr Plätze für Flüchtlinge geschaffen wurden.
Die Südtiroler Landesregierung zeigte damit wenig Bereitschaft, Flüchtlinge in Südtirol anteilsmäßig aufzunehmen. Diese abwehrende Haltung begünstigte damit aber auch besonders von Seiten der Partei der Freiheitlichen geäußerte Forderungen nach mehr Autonomie und Recht auf Mitbestimmung in der Flüchtlingsfrage. Begründet wurden diese mit der „Andersartigkeit Südtirols“:
„In der Flüchtlingspolitik braucht es in Südtirol eine andere Denkart als in einem großen Staat. Ein Minderheitenland wie wir es sind darf kein Flüchtlingsland sein […]. Ein Minderheitenland muss in der Einwanderungsfrage primäre Gesetzgebung haben, damit wir die Zuwanderung selbst steuern können. So wie es jetzt geschieht, handelt es sich bei der Zuwanderung um eine Unterwanderung der deutschen und Ladinischen Volksgruppe und das kann nicht sein.“
(Pressemitteilung vom 27.06.2011)
Vor allem Mitglieder des rechten Parteienspektrums vermuteten eine Integration der Flüchtlinge in die italienische Sprachgruppe und befürchteten damit eine Gefahr für die Existenz der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung. Die Sorge, dass sich der ethnische Proporz durch die Eingliederung ausländischer Bürgerinnen und Bürger zugunsten der italienischen Sprachgruppe verschieben könnte, da sich laut Ansicht der Freiheitlichen „ein guter Teil der Einwanderer und Flüchtlinge längerfristig der italienischen Volksgruppe zugehörig erklärt“, lag nicht zuletzt in der historisch versuchten Italianisierung Südtirols begründet.
Nicht nur Parteien wie etwa die Freiheitlichen oder die Süd-Tiroler Freiheit, sondern auch Abgeordnete der Südtiroler Volkspartei äußerten mehrmals ähnliche Bedenken. Hingegen eindeutig der Partei der Freiheitlichen zuzuschreiben waren in Bezug auf die aus Nordafrika stammenden Flüchtlinge das Schüren der Angst vor einer Islamisierung Südtirols, aber auch die Warnungen vor der Einreise von Islamisten:
„Die schleichende Islamisierung Europas schreitet unaufhaltsam voran. Auch Südtirol wird davon immer stärker betroffen. […] Es ist zu befürchten, dass mit den sich abzeichnenden Flüchtlingsströmen aus Nordafrika auch weitere Islamisten nach Europa kommen.“
(Beschlussantrag zum Landesgesetzentwurf Nr. 89/11)
Hinsichtlich der Tatsache, dass im Jahr 2011 nicht mehr als 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung Südtirols muslimischen Glaubens waren und lediglich 196 nordafrikanische Asylwerbende im Land untergebracht werden mussten, hatten derartige Befürchtungen und Ängste keine reelle Grundlage. Dass die gezielte Panikmache jedoch ihre Wirkung auf die Südtiroler Bevölkerung nicht verfehlte, zeigte der Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in Vintl im Mai 2011.