Anregung zu Reflexion und vertiefter Auseinandersetzung
von Annemarie Augschöll Blasbichler
Ein Phänomen, das für die jüngsten Protagonisten und Protagonistinnen mit Migrationsgeschichte unmittelbar spürbar wird, ist die Alphabetisierung in der fremden Sprache. Das Lesen und Schreiben Lernen in der Muttersprache ist für genannte Kinder in der neuen Heimat zumeist nicht Teil ihres formalen Pflichtschulprogrammes. Es fällt somit in den Bereich des informellen und /oder non-formalen Lernens außerhalb institutionell implementierter Curricula. Die Alphabetisierung in der Muttersprache wird beliebig, vom Engagement und den Möglichkeiten der Eltern abhängig.
Zu einer ebenso biographisch relevanten Erfahrung wurde die Alphabetisierung in der Fremdsprache für jene Südtiroler und Südtirolerinnen, die in den Jahren zwischen 1923 und 1939 (für Kinder der sog. Dableiber bis 1943) in der ersten Klasse der italianisierten Volksschule ihre Bildungskarriere begannen.
Die beiden geschilderten Alphabetisierungsrealitäten sind rückgebunden an völlig unterschiedliche zeitpolitische und kulturelle Kontexte und Motivationen sowie pädagogisch und organisatorisch nicht vergleichbar implementiert. Entsprechend lassen sie auch keine pauschale Gegenüberstellung zu.
Das Teilprojekt stellt vielmehr Adressatinnen und Adressaten der zwei genannten Unterrichtsrealitäten bzw. Alphabetisierungsprogramme und ihren Umgang damit in den Mittelpunkt. Ziel ist das Sichtbarmachen und die Analyse individueller Erinnerungen sowie persönlicher Interpretationen und Gewichtungen von bildungsbiografischen Erfahrungen im Rahmen des institutionell verankerten fremdsprachigen Alphabetisierungsprozesses in der Pflichtschule sowie im Zuge eventueller außerschulischer Lernerfahrungen für eine Alphabetisierung in der Muttersprache (Katakombenschule in den 1920er und 1930er Jahren, Kurse und Unterricht in Religionsschulen, über E-Learning-Programme u.a.m. heute). Gleichzeitig interessieren der Grad der erreichten Lese- und Schreibfertigkeit der Protagonisten und Protagonistinnen sowohl in der Schul- als auch in der Muttersprache sowie ihre Umgangs- und Kompensationsstrategien mit entsprechenden Defiziten.
Ein Teil der Forschung ist dabei in Form einer Online-Ausstellung aufbereitet.